Sauerbier brauen ist für viele Hobbybrauer fremdes Terrain, erfreut sich aber insbesondere in den letzten Jahren durch Techniken wie z.B. Kettle Sour wieder starker Beliebtheit. Historiker sind sich einig, dass damals jegliche Biere einen gewissen säuerlichen Charakter hatten, weiters gilt Milchsäuregärung als eines der ursprünglichsten Konservierungsverfahren.
Der Überbegriff Sauerbier bezeichnet eine Vielzahl an Bierstilen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Traditionelle Sauerbiere, vielfach bekannt aus Belgien, entstehen durch aufwändige langjährige Lagerung nach Spontangärung mit einer Mischung aus Wildhefen und Bakterien und sind oft sehr komplex in ihrer Aromatik. Als Hobbybrauer wünscht man sich meist schnellere Produktionszeiten und da kommt die Technik des Kettle Sour ins Spiel um schnelle Einstiegsbiere in die Sauerwelt mit einer hohen Drinkability zu brauen!
Was ist Kettle Souring?
Kettle (engl. Für Kessel) Souring bezeichnet das gezielte Ansäuern der Bierwürze im Sudkessel, also bevor zum Hopfenkochen aufgeheizt wird. Der Säuerungsprozess dauert dabei meist nur 24-36h und durch das spätere Aufkochen und Sterilisieren der Würze besteht keine Gefahr der bakteriellen Kontamination des Brauequipments. Für die Säure sorgen in dem Fall Milchsäurebakterien, die oft in Reinkultur zugegeben werden und sich bei Temperaturen um 35°C-40°C besonders wohl fühlen. Sobald der gewünschte Säuregrad erreicht ist, wird zum Hopfenkochen aufgeheizt und der Prozess unterbrochen. Den Zeitpunkt kann der ambitionierte Hobbybrauer durch regelmäßige Messungen des Säuregrades (pH-Wert) feststellen, oder alternativ kann man auch einfach Kostproben ziehen und sensorisch beurteilen wann genug Säure erreicht ist.
Wozu benötigt man Kettle Souring?
Das Kettle Souring hat als größte Vorteile die Geschwindigkeit und Kontrollierbarkeit mit der Sauerbiere dadurch hergestellt werden. Insgesamt ist die Produktionszeit kaum länger als bei herkömmlichen Bieren, weiters besteht kein Infektionsrisiko durch das Aufkochen und Sterilisieren der Würze. Da Milchsäurebakterien, insbesondere Lactobacillus plantarium, sehr sensibel gegenüber Bitterstoffen sind ist es kaum möglich hopfige Biere durch Milchsäuregärung zu erstellen. Beim Kettle Souring hingegen, wird erst nach dem Säuerungsprozess gekocht, weshalb man hier alle Freiheiten beim Einsatz des Hopfens hat! Insgesamt führt der Prozess auch zu einer sehr klaren reintönigen Säure ohne ungewünschte Fehlaromen, bietet aber dennoch eine weit höhere Komplexizität als ein mit biologischer Milchsäure angesäuertes Bier. Die Technik eignet sich dadurch besonders gut für Bierstile wie die Berliner Weisse, Gose, Sour IPA, Fruchtsauerbiere und vieles mehr.
How To Kettle Sour:
Wie funktioniert das Ganze jetzt also? Grundsätzlich kann das gewünschte Bier ganz normal gebraut werden bis zum Schritt des Hopfenkochens. Sobald die Würze Kochtemperatur erreicht hat, wird sie wieder abgekühlt auf die optimale Temperatur für den gewählten Lactobacillus Stamm und dieser in der empfohlenen Menge zugegeben. Die Würze wird im Optimalfall bei dieser Temperatur gehalten, bis der gewünschte Säuregrad erreicht ist. Die Dauer ist abhängig von dem gewählten Bakterienstamm, der Anstellmenge und der Temperatur. Wir empfehlen die erhältlichen Reinzuchtkulturen von Lallemand zu verwenden, z.B. der Wildbrew™ Sour Pitch, welcher unter den angegebenen Bedingungen circa 24-36h benötigt um einen pH von 3,2-3,5 zu erreichen. Ein weiterer Vorteil des Kettle Souring ist auch die hohe Reproduzierbarkeit, denn der gewünschte pH-Wert kann nach Erreichen fixiert werden, indem durch Aufkochen der Würze alle Bakterien abgetötet werden. Anschließend wird das Bier wie gewohnt fertig gebraut und mit einer Bierhefe vergoren. Dabei empfiehlt es sich eine sehr robuste und säuretolerante Bierhefe zu verwenden (z.B.: Lallemand Kölsch, Lallemand Wit, SafAle K-97 oder Wyeast #1007 German Ale).
Kettle Sour Tipps und Tricks:
Hier noch ein paar Tipps, damit euer erster Versuch auch gut gelingt:
- Säuert die Würze vor dem Kettle Sour mit biologischer Milchsäure bereits auf einen pH Wert von zumindest unter 5, besser noch auf pH 4.5 an! Das hilft eurer Bakterienkultur beim Start und vermindert ungewolltes Bakterienwachstum von Fremdkeimen, wie zum Beispiel Buttersäurebakterien
- Haltet euch an die Mengenangaben, z.B. 2g pro 20L bei Wildbrew™ Sour Pitch für eine Dauer von 24-36h. Falls eine höhere Bakterienzellzahl verwendet wird, geht der Prozess deutlich schneller und sollte mit pH-Meter verfolgt werden.
- Isoliert euren Braukessel mit einer Thermomanschette, für gleichmäßige Temperaturen
- Begast den Braukessel zu Beginn des Ansäuerns mit CO2. Eine kleine Schutzschicht von CO2 hilft gegen ungewollte Essigsäurebakterien und andere Fremdkeime. CO2 ist schwerer als Luft und bleibt als Schutzschicht auf der Würze. → Braukessel danach geschlossen halten!
Die bequeme Alternative zu Kettle Sour: Philly Sour Hefe
Falls Du ein Sauerbier brauen möchtest, Dir Kettle Sour jedoch zu aufwändig ist, gibt es gute Neuigkeiten! Die University of Science in Philadelphia, USA hat mit der Philly Sour einen Hefestamm gefunden, der fähig ist während der Hauptgärung auch kleine Mengen an Milchsäure zu produzieren. Damit entfällt der Einsatz der Bakterien und es besteht auch keine Kontaminationsgefahr. Einfach normal mit Philly Sour vergären und eine milde begleitende Säure im Bier genießen. So kannst Du jedem Bierstil auch eine erfrischende Note für den Sommer mitgeben.
Viel Spaß beim Experimentieren und vergiss nicht, Sauer macht Lustig! 😉